KZ Wittmoor: Ergreifende Gedenkzeit an Opfer des Holocaust

Samstag, 28.01.2023

Norderstedt. Zum Internationalen Holocaust-Gedenktag hatten der Verein Chaverim – Freundschaft mit Israel und die Stadt Norderstedt am Freitag zu einer Gedenkzeit an das Mahnmal für das Konzentrationslager Wittmoor eingeladen. Die Gedenkzeit wurde zu einem ergreifenden Innehalten und Nachdenken über den Umgang der Gesellschaft mit der Erinnerung an den Holocaust in Zeiten aufkeimenden Judenhasses.

„Man hat sie gezwungen, sich ans Ufer zu stellen und die Schuhe auszuziehen. Dann wurden sie erschossen.“ Militaristen der faschistischen Pfeilkreuzler ermordeten ungarische Jüdinnen und Juden in Budapest am Ufer der idyllischen Donau. Die NS-Mordmaschinerie hatte viele Verbündete in Europa, allesamt Fanatiker, die nur eines wollten – die Endlösung der Judenfrage durch Mord, wie am 20. Januar 1942 bei der Wannsee-Konferenz in Berlin beschlossen.

Das Zitat stammt aus dem Buch „Ich bin hier, und alles ist jetzt“ von Edith Eva Eger, Überlebende des Holocausts. Ayala Nagel vom Kulturverein Chaverim las daraus einige Passagen bei der Gedenkfeier, 78 Jahre nach Befreiung des NS- Todeslagers Auschwitz durch die Sowjet-Armee am 27. Januar 1945.

Mittlerweile gibt es viele Bücher von Holocaust-Überlebenden, die endlich ihr Schweigen über ihr unaussprechliches Leid brechen können und das Unsagbare aufschreiben. Für die nächsten Generationen. Damit die Schoa nie vergessen wird, damit sie nie wieder geschehen kann.

Doch – wer liest diese Erinnerungen? Wer hört den jüdischen Zeitzeuginnen zu, von denen es nur noch wenige gibt. „Um Jugendliche über Antisemitismus und Israelhass aufzuklären, ist vor allem Wissen über die Hintergründe dieser fatalen Auffassungen notwendig, da sehe ich auch die Schulen in der Pflicht“, forderte Norderstedts Stadtpräsidentin Kathrin Oehme in ihrer Rede nach der Kranzniederlegung.

Junge Generation ist verantwortlich für den Umgang mit der Erinnerung

„Der jungen Generation muss gesagt werden, was damals geschehen ist, und Erinnern ist nicht nur eine Frage des Verstandes, sondern auch des Herzens“, sagte die 1942 geborene Stadtpräsidentin. „Für die schreckliche Vergangenheit ist die jetzige Generation nicht verantwortlich, für den Umgang mit dieser Vergangenheit aber sehr wohl.“ Oehme beklagte den stark zunehmenden Antisemitismus, der immer offener aus der Mitte der Gesellschaft käme. „Auch heute sind wieder menschenverachtende Parolen zu hören, und rechtsradikale Morde geschehen auf offener Straße.“

Mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, darunter CDU-Stadtvertreter Uwe Matthes, Miro Berbig, Vorsitzender Die Linke, der ebenso einen Kranz vor dem Gedenkstein niederlegte wie Katrin Fedrowitz, SPD-Ortsvereinsvorsitzende, mit Jürgen Lange, Emil Stender, Sybille Hahn (alle SPD) kamen auch Bürgerinnen und Bürger.

Katrin Fedrowitz: „Politik muss sich dieser furchtbaren Vergangenheit stellen“

„Mich berührt das Gedenken sehr, und es belastet mich bis heute, dass unsere Eltern nie über die Gräueltaten gesprochen haben, ich möchte aufrütteln, damit wir den Holocaust nicht vergessen, zumal der Antisemitismus wieder aus den Löchern kriecht“, sagte Teilnehmerin Dagmar Feddern.

„Ich will die Erinnerung wach halten an das Unsagbare“, sagte Stefan Schmidt-Brockmann. „Es ist Tradition in der SPD, dass wir uns beteiligen, denn auch SPD-Mitglieder sind von den Nazis verfolgt worden“, sagte Katrin Fedrowitz. „Es ist wichtig für die Politik, sich dieser furchtbaren Vergangenheit stets zu stellen“, sagte Emil Stender. „Wir haben uns für diese Gedenkstätte gegen viele Widerstände eingesetzt und dafür gesorgt, dass der Text des damaligen Bundespräsidenten Friedrich von Weizsäcker vom 8. Mai 1985 in den Stein eingefügt wurde“, sagte Sybille Hahn.

Für die Musik der Gedenkstunde, die viele Teilnehmende stark berührt hat, sorgte das Posaunen-Quartett des Symphonischen Blasorchesters Norderstedt mit Simone Candotto, Thomas Tann, Katja und Sören Jacobsen, die Werke von Ludwig van Beethoven, Johann Hermann Schein und Paul Peuerl spielten.

Norderstedt: KZ Wittmoor war ein Außenlager des KZ Fuhlsbüttel

Das KZ Wittmoor war eines der ersten Konzentrationslager Deutschlands und ein Außenlager des berüchtigten „KoLaFu“, des KZ Fuhlsbüttel. Inhaftiert waren seit 31. März 1933 den NS-Machthabern unliebsame Menschen wie Schwule und weitere, sexuell anders orientierte Menschen, Kommunisten, Sozialisten und SPD-Mitglieder, darunter viele Juden.

800 Häftlinge sollte das Lager an der Torffabrik fassen, sie sollten im Wittmoor Torf stechen. Doch dem Hamburger Reichsstatthalter Karl Kaufmann soll die Behandlung der Gefangenen zu lasch gewesen sein. Unter der Führung der SS schloss Hamburgs damaliger Justizsenator Curt Rothenberger das KZ am 17. Oktober 1933 und ließ die 140 Häftlinge in das „KoLaFu“ verlegen.

„Wir schulden den Opfern des Holocausts unser Gedenken, unser Erinnern, denn der Völkermord ist Teil unserer Geschichte“, mahnte Kathrin Oehme, als sie mit Baudezernent Christoph Magazowski neben dem Kranz von Chaverim den Kranz der Stadt niederlegte.