Ein „Hör-Mal“ für die Verfolgten

Donnerstag, 24.01.2019

Ein „Hör-Mal“ für die Verfolgten

Gottesdienste und eine Ausstellung zum Holocaust-Gedenktag

Der 27. Januar ist der Gedenktag für die Opfer des Holocaust. In Hamburg und Umgebung wird der Tag auf vielfältige Weise begangen. Kirchengemeinden feiern Gottesdienste, in Norderstedt soll ein „Hör-Mal“ entstehen, und im Rathaus wird eine Ausstellung gezeigt.

Von Timo Teggatz

Hamburg. Es wird ein Abend der Gegensätze. Unter dem Titel „Ausgemerzt!“ trägt der Chansonnier HaWe Kühl am Sonntag, 27. Januar, um 17 Uhr Chansons im Paul-Gerhardt-Gemeindezentrum von Norderstedt vor. Die Lieder seien oftmals lustig, sagt der Sänger. Zum Lachen dürfte den Besuchern aber nicht mehr zumute sein, wenn Kühl die Biografie der Texter und Komponisten vorträgt. Sie waren allesamt Juden und wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, fast alle wurden ermordet.

Ein „Hör-Mal“ wolle er mit seinem Pianisten Rainer Lankau den verfolgten Menschen setzen, sagt Kühl. Dieses funktioniere analog zu einem Denkmal und solle in den Köpfen der Besucher bleiben. Der Abend wird veranstaltet vom Norderstedter Kulturtref in Zusammenarbeit mit dem überreligiösen Verein Chaverim, der sich die Freundschaft mit Israel auf die Fahnen geschrieben hat.

Wie Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme den Alltag im Krieg erlebten, damit beschäftigt sich eine Ausstellung im Hamburger Rathaus. Etwa 8000 Menschen mussten unter Zwang für die Kriegswirtschaft arbeiten. Treibende Kraft seien dabei die Hamburger Firmen und städtische Behörden gewesen, heißt es. Das Handeln der verantwortlichen Akteure ist das zentrale Thema der Ausstellung, die bis Sonntag, 10. Februar, im Foyer des Rathauses zu sehen ist.

Wie Behörden sich schuldig machten

Wie jedes Jahr wird auch im Michel der Opfer des Holocaust gedacht. Die Hauptkirche gestaltet zusammen mit der Hamburger Autorenvereinigung eine Lesung. Am Sonntag um 16 Uhr liest Barbara Schirmacher aus ihrem Buch „Ein aufrechter Mensch“. Darin beschreibt sie das Schicksal ihres Großvaters Otto Globig, der im Frühjahr 1940 verhaftet worden war. Er hatte in einem Restaurant öffentlich Kritik geäußert und wurde von der Wirtin denunziert.

Am Tag nach seiner Verurteilung kam er ums Leben. An der offiziellen Version eines Selbstmords hegt Barbara Schirmacher bis heute Zweifel. In ihrer Familie sei das Schicksal des Großvaters nie thematisiert worden – als sei er selbst Schuld gewesen, sagt die Autorin.

Im Anschluss an die Lesung wird ab 18 Uhr ein Abendgottesdienst zum Gedenktag gefeiert. Die Predigt hält Hauptpastor Alexander Röder, die Kantorei führt vier Psalmvertonungen des jüdischen Komponisten und Kantors Louis Lewandowski auf.

Auch andere Gemeinden begehen das Gedenken an die Holocaust-Opfer mit einem Gottesdienst. Der traditionelle Gottesdienst der Kirchengemeinde St. Ansgar in Langenhorn beschäftigt sich immer inhaltlich mit der NS-Zeit, meistens mit einem Bezug zum Stadtteil. Am Sonntag um 18 Uhr in der Ansgar-Kirche, Langenhorner Chaussee 266, will Pastor Götting Gedichte von Hans Scholl vortragen. Und beim Gottesdienst in der Klosterkirche in Uetersen, Kirchenstraße 9, am Sonntag um 19.15 Uhr stehen die Schicksale dreier Verfolgter im Mittelpunkt, für die im Februar in der Stadt Stolpersteine verlegt werden.

Karten für den Abend „Ausgemerzt!“ sind für zehn Euro unter der E-Mail-Adresse reservierung@ kulturtreff-norderstedt.de oder an der Abendkasse erhältlich. Reservierungen sind möglich unter Tel. 040 / 60 92 51 03.

Timo Teggatz
Evangelische Zeitung für Hamburg